Führung in der Matrix
„Nun halt mal den Ball flach! Du hast mir gar nichts zu sagen, Du bist schließlich nicht mein Chef!“
Da ist man nun Führungskraft, will auch wirklich führen, und dann das.
Was nun? Eskalieren?
Themenunabhängig ist ein solches Szenario in Matrixorganisationen durchaus denkbar. Bevor wir nun zur (Vor-) Verurteilung des Mitarbeitenden schreiten, lohnt sich ein kurzer Blick in bzw. auf die Besonderheiten einer Matrixorganisation.
Die ist ja durch parallel existierende vertikale sowie horizontale Führungsebenen gekennzeichnet. Also durch disziplinarische (vertikale) und horizontale (fachliche) Organisations- und Führungsstrukturen.
Hatte der Mitarbeitende also recht?
Die Antwort ist ein klares Jein.
Denn er hat tatsächlich mindestens zwei Vorgesetzte: seinen Disziplinarvorgesetzten und mindestens einen Fachvorgesetzten. Und allen soll er es „recht machen“, und das möglichst gleichzeitig. Deshalb ist es durchaus berechtigt, in dieser Konstellation von einer Art ‚Führungswettstreit‘ zu sprechen.
Nun ist dabei der Mitarbeitende zwar kein Schiedsrichter. Er kann allerdings existierende Führungsschwächen durchaus für sich (aus)nutzen. Da er von mindestens zwei Seiten (Chefs) Aufgaben bekommt, die möglicherweise sogar konkurrieren, verfügt er über gewisse Steuerungspotenziale. Und das um so mehr, je weniger die disziplinarischen und fachlichen Führungskräfte sich grundsätzlich und immer wieder situationsbezogen abstimmen. Anderenfalls sind Reibungsverluste und eine hohe Eskalationsquote vorprogrammiert. Um so mehr, wenn mehrere, bestenfalls auch noch internationale, Standorte in die Matrix eingebunden sind.
In einem konkreten Fall entwickelte sich das dann so, dass ein österreichischer Geschäftsführer eines Standortes einen Branchenspezialisten zur Verstärkung der Marktaktivitäten weltweit zugeordnet bekam, den er direkt und disziplinarisch führen sollte. Der wiederum sollte die budgetverantwortlichen (!) Leiter bzw. Geschäftsführer der Standorte in den verschiedenen Ländern fachlich anleiten und führen.
Parallel dazu gab es einen Spartenvertriebsleiter mit ähnlichen Aufgaben, dem er allerdings nicht berichtspflichtig war. Was für ein Tohuwabohu! Das Resultat war – zumindest unter den Betroffenen – eine allgemeine Verunsicherung und Frustration, zumal sich der CEO selbst weitestgehend heraushielt, punktuell sogar direkt einschaltete, also ‚durchregierte‘. Das alles blieb natürlich nicht unbemerkt, und die meisten internen Beobachter fanden das alles total spannend ....
Dabei wäre dieses Chaos – wir dürfen es hier getrost als solches bezeichnen – mit einfachsten Mitteln zu verhindern und als ein Erfolgsmodell zu etablieren gewesen.
Wie so oft begann auch in diesem Fall die Fehlerkette damit, dass das Management davon ausgegangen, war, dass alle im Unternehmen das Prinzip schon begreifen und die Führungskräfte das ansonsten schon irgendwie regeln würden. Dabei kennen wir doch alle den Grundsatz: Gehe nie von (scheinbaren) Selbstverständlichkeiten aus!
In diesem Sinne ist es hilfreich und wichtig, in Matrixorganisationen (sich) von Beginn an ebenso wie im Zusammenhang mit Organisationsveränderungen die folgenden Fragen zu stellen:
Sind die Art, Funktion, Ziele und Vorteile der Matrixorganisation im Unternehmen für alle Betroffenen und Beteiligten klar geregelt und kommuniziert?
Sind die Funktionen, Rollen, Pflichten, Zuständigkeiten und Kompetenzen eindeutig geklärt?
Sind die wesentlichen Unterschiede zwischen fachlicher und disziplinarischer Führung sowie die Konsequenzen daraus für alle Beteiligten und Betroffenen definiert und kommuniziert?
Gibt es verbindliche Regeln für Entscheidungen, Konfliktsituationen und Eskalationsszenarien?
Schlussendlich ist Führungsarbeit in der Matrix dann kein Hexenwerk und in den meisten Fällen ein absoluter Gewinn.
Wenn Klarheit herrscht.